Norbert Panek – bestätigt meine fotodokumentation mit fachmännisch technischen daten aus hessen
Waldbrief 2014: Die Mär von der nachhaltigen Forstwirtschaft – das Beispiel Hessen
Landauf und landab behaupten Forst- und Holzlobbyisten stets gebetsmühlenartig, dass die Forstwirtschaft in Deutschland nachhaltig sei, was bedeuten soll, dass im Wald nicht mehr Holz geerntet wird als im gleichen Zeitraum wieder nachwächst.
In Hessen hat der Landesbetrieb Hessen-Forst Mitte Dezember 2013 einen so genannten „Nachhaltigkeitsbericht“ für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 vorgelegt. In diesem Bericht wird die besonders „nachhaltige“ Wirtschaftsweise im hessischen Staatswald gepriesen. In einem Vorwort heißt es:“ der Staatswald in Hessen wird seit vielen Jahren nachhaltig bewirtschaftet und trägt dadurch in besonderem Maß zum Wohlergehen der hessischen Bürgerinnen und Bürger bei.“ An anderer Stelle ist von einem „Betrieb“ die Rede, der das uns anvertraute Waldvermögen nachhaltig, wirtschaftlich und unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinwohls schützt, nützt und weiterentwickelt.“ Und:“ Wir stellen sicher , dass wir zur gleichen Zeit und am gleichen Ort Holz nutzen und die Natur schützen.“ Was Hessen-Forst mit hoch aufgeladenen, voluminösen Worten verspricht, stellt sich in der realen Praxis allerdings ganz anders dar.
Der Anspruch, Holznutzung und Naturschutz auf gleicher Fläche zu verwirklichen, ist im hessischen Staatswald weitgehend gescheitert, weil insbesondere die Intensität der Nutzung in den letzten Jahren seit Gründung des Landesbetriebs Hessen-Forst drastisch zugenommen hat. Intensivnutzung und Naturschutz schließen sich auf gleicher Fläche aus. Wer etwas anderes behauptet, führt die Öffentlichkeit bewusst hinters Licht. Fakt ist, dass die Holzeinschlagmengen im Staatswald signifikant erhöht wurden. Sie lagen vor Gründung von Hessen-Forst im langjährigen Mittel jährlich bei rund 1,3 Mio. Erntefestmetern (Efm) und sind nach Gründung des Landesbetriebs im Schnitt auf teilweiseweit über zwei Mio. Efm pro Jahr angestiegen. Tabelle 1 zeigt, dass die Nutzungsmengen seit Jahren fast durchweg über dem Zuwachs liegen. Dabei bestimmen überwiegend so genannte Zwangsnutzungen, ausgelöst durch Kalamitäten und Sturmereignisse, den Holzeinschlag im hessischen Staatswald (Tabelle 2).
Tab.1 Entwicklung Zuwachs/ Nutzung im hessischen Staatswald ab 2006 (Angaben 2006 bis 2007 in Efm/ ha; ab 2008 in Mio. Efm)
Tab.2 Sturm- und kalamitätsbedingte Zwangsnutzungen – hauptsächlich Fichte – (in % der Gesamtnutzungsmengen – siehe Tab.1) im hessischen Staatswald ab 2006
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Von den Zwangsnutzungen nach den letzten Sturmereignissen („Kyrill“, „Emma“, „Xynthia“, „Doris“) war erwartungsgemäß vor allem die Fichte betroffen. Der Schadholz-Anteil der Fichte an der Gesamtnutzung lag beispielsweise 2009 bei 63 Prozent (-im Jahr 2012 bei 39 %), der Anteil der Buche zum Vergleich 2009 und 2012 jeweils unter 10 %. Hessen-Forst spricht dabei von „Naturkatastrophen“, tatsächlich sind diese hohen Zwangsnutzungsanteile die Folge einer einseitigen, am Nadelholz orientierten Forstwirtschaft, also hausgemacht
Dennoch setzt der Landesbetrieb weiterhin auf die Risiko-Baumart Fichte. „Die Richtlinie für die Bewirtschaftung des hessischen Staatswaldes“ (2012) sieht vor, dass diese extrem klimaanfällige Nadelbaumart zukünftig weiter auf über einem Fünftel der Staatswaldfläche vertreten sein soll. Zudem propagiert Hessen-Forst die massive Ausweitung der Douglasien- Bestände im hessischen Staatswald. Bis 2050 sollen 10 Prozent der Staatswaldfläche mit Douglasien bestockt sein (-aktueller Anteil: 3 %). Nach einer aktuellen Studie des Bundesamtes für Naturschutz zählt die Douglasie zu den 38 invasiven Pflanzenarten, die eine erhebliche Gefährdung für die biologische Vielfalt in Deutschland darstellen (BfN- Pressemitteilung vom 26.11.2013). Insgesamt wird ein Gesamtanteil nicht standortheimischer Nadelhölzer von 43 % bis zum Ziel-Jahr 2050 angestrebt. Dies bedeutet: Der notwendige Umbau naturferner Nadelholzbestände in klima-angepasste, vornehmlich aus heimischen Baumarten zusammengesetzte Laubwälder findet auch in Zukunft auf Großteilen der hessischen Staatswaldfläche nicht statt!
Die prekäre Lage der älteren Buchenbestände im Staatsforst wird im „Nachhaltigkeitsbericht“ an keiner Stelle thematisiert. Eine Anfrage im Landtag (Drucksache 18/5620) ergab, dass der geplante jährliche Hiebsatz in den über 140-jährigen Buchen- und Laubwaldbeständen im Jahr 2012 um mehr als 50 Prozent über dem Zuwachs lag. Diese Zahl bestätigt den optischen Eindruck, den man gewinnt, wenn man, egal wo, durch alte Buchenbestände wandert und feststellen muss , dass viele dieser statistisch noch als 140 – 160 jährig geführten Bestände nur aus Restvorräten bestehen (siehe Bild oben). Dieser Eindruck wird durch Daten untermauert, die Hessen-Forst nur scheibchenweise preisgibt. So gibt Hessen-Forst den Anteil der über 140-jährigen Buchenbestände im Staatswald offiziell mit 28.737 Hektar (8,4 %) an (-schriftlich am 16.8.2012). Davon liegt der Anteil der Bestände, die annähernd noch Vollbestockung aufweisen, bei lediglich 3.073 Hektar = 2,5 % der Buchenbestandsfläche im Staatswald!
Deshalb ist aktuell davon auszugehen, dass ein großer Teil der alten Waldstrukturen in den über 140-jährigen Beständen im Zuge massiver Ernteeingriffe hessenweit bereits vernichtet wurde – und damit ein einschneidender Bruch in der Habitat-Kontinuität dieser Bestände eingetreten ist! Dieser Bruch ist auch nicht durch Buchenbestände auszugleichen , die in den nächsten Jahrzehnten in die verlustig gegangenen Altersklassen hineinwachsen. Die mit dem üblichen Schirmschlag verbundene Auflichtung und Räumung der Bestände führt zu einem drastischen „Faunenschnitt“. Großflächige, dichte Verjüngung unter dem geräumten Buchenschirm bewirkt eine Verdrängung der typischen Waldbodenvegetation; zunehmend maschinelle Ernteverfahren verursachen zudem irreparable Bodenschäden (Bild).
Die negativen Wirkungen dieser so genannten Schirmschlagverfahren, die auch in ausgewiesenen Schutzgebieten praktiziert werden, sind seit Jahren bekannt und von Naturschutzverbänden immer wieder an den Pranger gestellt worden. Doch geändert hat sich nichts!
Hessen-Forst vermeidet tunlichst, detailliertere Daten über den Zustand der über 140- jährigen Buchenbestände zu veröffentlichen. Es könnte ja herauskommen, dass diese älteren hiebreifen Wälder weitgehend nur noch „auf dem Papier“ existieren.
Der Landesbetrieb Hessen-Forst nutzt den ihm anvertrauten Staatswald nicht nachhaltig, sondern eingriffsintensiv und schützt ihn gleichzeitig nur unzureichend. Nach den Vorgaben der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ sollten im öffentlichen Wald mindestens 10 Prozent der Bestandsflächen der nutzungsfreien, natürlichen Entwicklung überlassen bleiben. Nach Angaben von Hessen-Forst liegt der Anteil nutzungsfreier Flächen im Staatswald jedoch nur bei sechs Prozent. Die natürliche Entwicklung ist auf einem erheblichen Teil dieser ␣Kernflächen␣ nicht dauerhaft rechtlich festgeschrieben. Die Flächen, auf denen dies verbindlich geschieht, umfassen lediglich rund 9.950 Hektar (2,9 % der Staatswaldfläche). Außerdem sind die ausgewiesenen nutzungsfreien Kernflächen viel zu klein. Die Forderungen der nationalen Biodiversitätsstrategie werden in Hessen nicht erfüllt!
Insgesamt werden im „Nachhaltigkeitsbericht“ wichtige Fakten insbesondere zum Zustand der staatlichen Buchenwälder verschwiegen; der Bericht zeichnet ein Trugbild vom hessischen Wald. Das Land Hessen ist damit drauf und dran, seine Weltnaturerbe- Verantwortung für die Buchenwälder zu verspielen! Das sollte unter der Ägide eines grün- geführten Forst-Ministeriums nicht passieren!
So oder so ähnlich ist die Situation auch in anderen Bundesländern gekennzeichnet. Der Vernichtungsfeldzug gegen alte Buchenwälder ist im vollen Gange, nimmt dramatische Formen an – und die Politik schaut tatenlos zu!
Norbert Panek Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder An der Steinfurt 13, 34497 Korbach www.wald-kaputt.de
Korbach, im Oktober 2014